Pressemitteilung

Jupiters Fleck leuchtet

Erster Blick auf das Wetter im größten Sturm des Sonnensystems

16. März 2010

Bahnbrechende neue Wärmebilder, die mit dem Very Large Telescope der ESO und mit anderen bodengebundenen Großteleskopen aufgenommen wurden, zeigen Wirbel warmer Gase und kältere Regionen im Großen Roten Fleck des Planeten Jupiter. Daraus konnten Wissenschaftler die erste Wetterkarte dieses gigantischen Sturms erstellen, aus der die Zusammenhänge von Temperatur, Wind, Druck und chemischer Zusammensetzung mit der Farbe des Flecks deutlich werden.

Dies  ist der erste Blick ins Innere des größten Sturms im Sonnensystem”, sagt Glenn Orton, der Leiter des Forscherteams, das die Beobachtungen durchführte. “Früher dachten wir, der Große Rote Fleck wäre ein Oval ohne großartige innere Struktur. Die neuen Ergebnisse zeigen, dass es sich im Gegenteil um ein höchst komplexes Gebilde handelt.

Die Beobachtungen zeigten, dass diejenigen Gebiete des Großen Roten Flecks, die eine besonders intensive rötliche Färbung aufweisen, einer warmen Kernregion in einem ansonsten kalten Wirbelsturm entsprechen. Außerdem sind auf den Bildern dunkle Streifen in den Randgebieten des Sturms sichtbar, bei denen es sich um Gase handelt, die in tieferliegende Regionen der Planetenatmosphäre absinken. Die Wissenschaftler können sich mit den neu gewonnenen Daten erstmals ein Bild von den großräumigen Gasbewegungen im bekanntesten Sturmsystem des Sonnensystems machen. Die Ergebnisse werden in der Fachzeitschrift Icarus veröffentlicht.

Der Große Rote Fleck ist seit hunderten von Jahren bekannt, und seit dem 19. Jahrhundert haben die Astronomen kontinuierlich verfolgt, wie er sich weiterentwickelt. Der Fleck – mit seinen -160 Grad Celsius ein Kaltgebiet der Jupiteratmosphäre – nimmt auf der Jupiteroberfläche eine Fläche ein, in der sich bequem drei Erden nebeneinander platzieren ließen.

Die Wärmebilder wurden hauptsächlich mit dem Instrument VISIR [1] aufgenommen, das am Very Large Telescope der ESO montiert ist. Weitere Daten lieferten das Teleskop Gemini-Süd in Chile und das Subaru-Teleskop der Japanischen Nationalsternwarte. Die Bilder sind unübertroffen detailscharf und ergänzen die Aufnahmen, die in den späten 1990er Jahren mit der NASA-Raumsonde Galilei gewonnen wurden. Zusammen mit Beobachtungen tieferliegender Wolken mit dem 3-Meter-Teleskop der Infrared Telescope Facility der NASA auf Hawaii erreichen die Wärmebilder der Großteleskope damit erstmals einen vergleichbaren Detailreichtum wie Aufnahmen des NASA/ESA-Weltraumteleskops Hubble im Bereich des sichtbaren Lichts.

Dank VISIR konnten die Astronomen die Temperatur sowie die Verteilung von Aerosolen und Ammoniak im und rund um das Sturmgebiet kartieren. Das liefert wichtige Informationen darüber, wie sich das Wetter und die Gasbewegungen im Inneren des Sturmes räumlich und mit der Zeit ändern. Die jahrelangen Beobachtungen mit VISIR und den anderen Teleskopen zeigen einen Sturm, der überraschend stabil ist – trotz der turbulenten Gasbewegungen und trotz Wechselwirkungen weiterer, kleiner Wirbelstürme mit den Randregionen des Großen Roten Flecks.

Eines der spannendsten Ergebnisse ist, dass die Zentralregion des Flecks, die eine besonders intensive rot-orange Färbung aufweist, drei bis vier Grad wärmer ist als ihre Umgebung”, sagt der Erstautor des Artikels, Leigh Fletcher. Das klingt nicht nach einem großen Temperaturunterschied, reicht aber aus, um die Drehrichtung des Sturms, der sich im Großen und Ganzen gegen den Uhrzeigersinn dreht, in einem kleinen Gebiet im Zentrum umzukehren. In anderen Regionen der Jupiteratmosphäre reicht ein solcher Temperaturunterschied aus, um die Windgeschwindigkeiten und Wolkenmuster in den verschiedenen Streifen und Regionen der Atmosphäre messbar abzuändern.

Wir konnten mit diesen Beobachtungen zum ersten Mal einen direkten Zusammenhang zwischen den Umweltbedingungen – Temperatur, Wind, Druck und chemischer Zusammenhang – einerseits und der Färbung des Großen Roten Flecks andererseits nachweisen”,   so Fletcher. “Zwar kann derzeit noch niemand sagen, welche Chemikalien oder Vorgänge für die markante rote Farbe des Flecks verantwortlich sind. Aber wir wissen jetzt, dass sie mit Änderungen der Umweltbedingungen im Herzen des Sturms zusammenhängt.

Endnoten

[1]VISIR ist der „VLT Imager and Spectrometer for mid Infrared“ (wörtlich „Kamera und Spektrometer [für das] VLT für den mittleren Infrarotbereich“, vgl. die [englischsprachige] Pressemitteilung eso0417). VISIR ist ein komplexes Instrument mit verschiedenen Betriebsmodi, das in den “Infrarotfenstern” rund um 10 und 20 Mikron beobachten kann, bei denen die Erdatmosphäre für Infrarotstrahlung vergleichsweise durchlässig ist. VISIR kann bei diesen Wellenlängen, die in etwa dem 40fachen der Wellenlängen des sichtbaren Lichts entsprechen, sowohl Bilder als auch Spektren aufnehmen.

Weitere Informationen

Die hier geschilderten Ergebnisse werden in dem Artikel von L. Fletcher et al.,  “Thermal Structure and Composition of Jupiter’s Great Red Spot from High-Resolution Thermal Imaging”, beschrieben, der in der Fachzeitschrift Icarus erscheint.

Das Forscherteam besteht aus Leigh N. Fletcher und P. G. J. Irwin (University of Oxford, UK), G. S. Orton, P. Yanamandra-Fisher und B. M. Fisher (Jet Propulsion Laboratory, California Institute of Technology, USA), O. Mousis (Observatoire de Besançon, Frankreich und University of Arizona, Tucson, USA), P. D. Parrish (University of Edinburgh, GB), L. Vanzi (Pontificia Universidad Catolica de Chile, Santiago, Chile), T. Fujiyoshi und T. Fuse (Subaru-Teleskop, Japanisches Nationalobservatorium, Hawaii, USA), A.A. Simon-Miller (NASA/Goddard Spaceflight Center, Greenbelt, Maryland, USA), E. Edkins (University of California, Santa Barbara, USA), T.L. Hayward (Gemini-Observatorium, La Serena, Chile) und J. De Buizer (SOFIA - USRA, NASA Ames Research Center, Moffet Field, CA 94035, USA). Leigh Fletcher arbeitete während der hier beschriebenen Forschungsarbeiten am JPL.

Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 14 Mitgliedsländer: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts, sowie VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt. Die ESO ist der europäische Partner für den Aufbau des Antennenfelds ALMA, das größte astronomische Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO das European Extremely Large Telescope (E-ELT) für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, mit 42 Metern Spiegeldurchmesser ein Großteleskop der Extraklasse.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsstaaten (und einigen weiteren Ländern) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.

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E-Mail: fletcher@atm.ox.ac.uk

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Dies ist eine Übersetzung der ESO-Pressemitteilung eso1010.

Über die Pressemitteilung

Pressemitteilung Nr.:eso1010de
Name:Jupiter
Typ:Solar System : Planet : Type : Gas Giant
Facility:Hubble Space Telescope, Other, Subaru Telescope, Very Large Telescope
Instruments:VISIR
Science data:2010Icar..208..306F

Bilder

Jupiter’s storms: temperatures and cloud colours
Jupiter’s storms: temperatures and cloud colours
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